Das Wispertal ist, neben dem Altköniggebiet, die zweite heilige Region im Taunus. Und eine Region, die so einsam und menschenleer ist, dass es sogar an einem Samstag möglich ist, stundenlang zu wandern, ohne auch nur einer einzigen Menschenseele zu begegnen. Die letzte Wanderung auf dem Wispertalsteig mit dem anschließenden Besuch auf der Burg Waldeck machten Appetit auf mehr. Auf den Karten entdeckte ich zufällig eine weitere, unbekannte Burg, die Burg Rheinberg. Deshalb beschlossen Micha alias Eisgott der Verkünder und ich, diese Burg gemeinsam am Samstag, den 8. Dezember zu besuchen. Ein passender Weg für die Wanderung würde sich schon finden lassen, auf der Karte war ein Weg verzeichnet, der sich Rheingauer Gebück Wanderweg nennt. Was es mit dem Rheingauer Gebück auf sich hat, haben wir bereits im Frühling bei unserer ersten gemeinsamen Wanderung gelernt. https://de.wikipedia.org/wiki/Rheingauer_Geb%C3%BCck
Wir trafen uns also um 12:30 Uhr im Wispertal und wanderten los. Es sollte trotz für die Jahreszeit zu warmer 8 Grad und zeitweiser Plasmabestrahlung eine prachtvolle Premiumwanderung werden, viel besser als wir es uns vorgestellt haben. Nun will ich aber gar mehr lange herum schwafeln, sondern gleich mit dem Bildbericht beginnen.
Die Übersicht der Tour. Beginnend am Gasthaus Kammerburg ging es zunächst ein gutes Stück der Landstraße entlang (ohne auch nur einem Auto zu begegnen!), danach begann der steile Aufstieg zur Burg. Nach der Burgbesichtigung ging es auf dem Rheingauer Gebück Wanderweg noch höher hinaus, wo uns noch die Reste einer weiteren Burg erwarteten. Der Rest der Tour bestand in einer Art "Restwanderung" in großem Bogen wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Die Statistik. Interessanterweise zeigte Michas App ca. 2 km mehr an, allerdings auch einen Höhenunterschied von 796 Metern ... Das kann allerdings nicht sein, also wird diese Aufzeichnung die wohl realistischere sein ...
Das Höhenprofil ... ganz schön steil dort ;-)
Auf dem Weg ins Wispertal... Das Wirtshausschild weist den Weg ins gelobte Land ;-)
Das Wispertal ist Vanitas pur. Die morbide Schönheit des Verfalls betrifft nicht nur mittelalterliche Burgen. Denen steht es allerdings viel besser, wie wir gleich sehen werden.
Die Wanderung startete am (mittlerweile geschlossenen) Gasthaus Kammerburg. Micha meinte, es könnte auch Transsilvanien sein. Wenn man sich die Gegend betrachtet und die Einsamkeit genießt, ist der Vergleich durchaus passend.
Das namensgebende Flüsschen, die Wisper mit endlich mal wieder einem akzeptablem Wasserstand. Der Name ist hier übrigens Programm, denn außer dem wispern des Flusses stört hier nichts die Stille.
Das ist der Werkerbach, einer der zahlreichen Zuflüsse der Wisper.
Der steile Aufstieg zu Burg Rheinberg. Aufgrund der Einsamkeit der Gegend konnte zum Glück keiner unser Lokomotivschnaufen hören, schon gleich keine rüstigen Wanderrentner beim Überholvorgang ;-)
Das Symbol des Gebückweges. Wir waren zunächst verwirrt und dachten, es symbolisiert irgendwelche Einheimischen, denen aufgrund Jahrhunderten von Inzucht Hörner gewachsen sind und die sich gegenseitig rummsend und muhend bekämpfen ... Dabei symbolisiert das Zeichen einfach nur die zusammengewucherten Bäume des Gebücks.
Burg Rheinberg taucht auf
Dies sind die Reste einer Mauer der ehemaligen Vorburg. Hier kann man schon gut den Zustand der ganzen Anlage erkennen. Völlig ohne Erhaltungsmaßnahmen und ungesichert dem Verfall überlassen. Diese Mauerreste scheinen sich völlig harmonisch in die Natur einzufügen.
Der Zugang von der Vorburg in den unteren Burghof führte über eine Brücke, die es heute nicht mehr gibt. Lediglich der Pfeiler ist noch erhalten. Um heute in die Burg zu gelangen muss man seitlich den Berg hochklettern. Der sausteile Pfad war immerhin mit einem Seil ausgestattet, an dem man sich hinauf hangeln kann. das ist aber auch die einzige "touristische Erschließung" der gesamten Burg Bild: Michael Kleen
In prächtiger Glut prangt glänzend die Burg. In des Morgens Scheine mutig erschimmernd, lag sie herrenlos hehr verlockend vor mir. Von Morgen bis Abend in Müh' und Angst nicht wonnig ward sie gewonnen! Es naht die Nacht: vor ihrem Neid bietet sie Bergung nun. So grüss' ich die Burg, sicher vor Bang' und Graun ...
Das bin ich im ehemaligen Torhaus der Burg. Wie kommentierte Micha so schön? "Der Burgherr schreitet besitzergreifend auf seinem Heimatgrund." ;-) Bild: Michael Kleen
Reste der inneren Mauer und des Eingangsportals des ehemaligen Torhauses zum unteren Burghof. Immerhin bringt die unvermeidliche Sonne die Konturen der Mauer und des Portals schön zur Geltung.
Die Ruine des Bergfrieds, der auf einem Felsen etwa 5 Meter höher über der inneren Burg thront. Das bedeutete abermalige Kraxelei.
Dies sind die Reste eines nachträglich an die Burg gebauten Batterieturms.
Ein Blick ins Innere des Bergfriedes. Dieser ist einsturzgefährdet, dort rieseln sprichwörtlich schon die Steine zu Boden. Dafür bietet diese verwunschene Burg eine einmalige, unfassbare Atmosphäre und einen tiefen, ungefilterten Blick ins Mittelalter, wie ich es zuvor noch nie bei einer Burgruine erlebt habe.
Wie ein Tor in eine andere Welt ...
Aus dieser Perspektive kann man gut den Riss erkennen, der sich bereits im Bergfried gebildet hat. All zu lange wird er wohl nicht mehr stehen
Der Ausblick von der Burg bei passendem, dramatischen Wolkenhimmel.
Ein Blick vom ehemaligen Zwinger auf den Bergfried
Efeuranken scheinen die alten Mauern zusammen zu halten.
Nachdem wir die Burg verlassen haben, geht es auf dem Gebückweg weiter bergauf ...
... steil bergauf auch wenn es auf dem Bild nur unzureichend zur Geltung kommt ...
... über eine Art Plateau auf dem Bergrücken ...
... von dem aus man rückblickend nochmal die Burg erkennen kann ...
... vorbei an Bäumen, die erstarrt wie schreiende Menschen, vor Schmerz und Grauen ihre Arme zu strecken scheinen ...
hinauf zu Burg Blideneck, an der zwei einsame Kaltwetterwanderer auf ihrer Pilgerreise ins Mittelalter erschöpft Rast einlegten und sich mit Speis' und Trank labten. Von Burg Blideneck ist außer einem Burgstall, also Grundmauerresten in Form einer Erhöhung im Gelänge nichts mehr erhalten geblieben. Bild: Michael Kleen
Der Rest der Wanderung führte dann eher unspektakulär auf einem kleinen Teil des europäischen Fernwanderwegs E3 entlang. Atlantik, Ardennen, Böhmerwald: das schaffen wir auch noch ... irgendwann
Der Weg war von nun an recht gemütlich ...
... allerdings veranlassten uns seltsame Knochenfunde zu einiger Sorge. Weiß der Henker, welche seltsamen Rituale die Einheimischen hier um Mitternacht pflegen ...
Zum Abschluss noch ein Bild kurz vor Ende der Wanderung bei einbrechender Dunkelheit. Wenn man genau hinsieht kann man zum rechten Bildrand hin nochmals den Bergfried von Burg Rheinberg erkennen. Es war die beinahe perfekte Wanderung, besser kann man einen Samstag wohl nicht verbringen.
----------------- "I've always been mad, I know I've been mad, like the most of us...very hard to explain why you're mad, even if you're not mad..." (Pink Floyd)
Sehr schön und tolle Bilder. Da hat man wirklich das Gefühl irgendwo im hintersten Winkel von Nirgendwo zu sein. Ich habe ja diese Woche Urlaub und morgen ist auch eine Wanderung geplant. Gestern bin ich nach dem Aufstehen und der "Schnee Fata Morgana", die sich dann aber als echt herausstellte schnell für ein paar Stunden im Wald verschwunden. Bei mir sind heute Weihnachtsplätzchen dran. Ich hab eine Art Tauschhandel mit meinem Vater. Er kriegt von mir Plätzchen und ich bekomme von ihm einen (oder auch zwei) seiner hervorragenden Christstollen.
"Es gibt für den Menschen keine Freiheit, solange seine Angst vor dem Tod nicht überwunden ist." Albert Einstein
Zitat von Lossoth im Beitrag #2Sehr schön und tolle Bilder. Da hat man wirklich das Gefühl irgendwo im hintersten Winkel von Nirgendwo zu sein. Ich habe ja diese Woche Urlaub und morgen ist auch eine Wanderung geplant. Gestern bin ich nach dem Aufstehen und der "Schnee Fata Morgana", die sich dann aber als echt herausstellte schnell für ein paar Stunden im Wald verschwunden. Bei mir sind heute Weihnachtsplätzchen dran. Ich hab eine Art Tauschhandel mit meinem Vater. Er kriegt von mir Plätzchen und ich bekomme von ihm einen (oder auch zwei) seiner hervorragenden Christstollen.
Hahaha, Weihnachtsplätzchen im Tausch gegen Stollen. Sehr gut, ein Hüftgoldhandel sozusagen. ^^ Egal, muss auch mal sein und man kann es ja wieder rauswandern. Ja, das stimmt, das Wispertal ist ein Ort der Stille und Einsamkeit, wie eine andere Welt, die aber gerade mal 50 km von mir entfernt ist. Und das interessante ist, dass die wuselige Welt wie abgeschnitten ist, sobald man von der Bundesstraße auf die Landstraße abbiegt, die ins Tal führt. dann noch zur grandiosen Natur noch ein paar alte verwunschene Burgen, die einen tiefen Blick ins Mittelalter erlauben und so wunderbar die Phantasie anregen, dass man ein oder zwei Tage braucht, um das alles zu begreifen und verarbeiten zu können. Wenn es so ist, dann war die Wanderung wahrlich eine Premiumwanderung. In Burg Rheinberg hab ich mich sowieso verknallt ;-), den alten Kasten werde ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen und es wird nicht mehr all zulange dauern, bis ich da wieder hingehe.
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Kann ich gut nachvollziehen. Ich wohne ja in einer Kleinstadt, die aber das ganze Jahr über viele Touristen anzieht. Da ist immer "was los". Aber wenn man sich auskennt und in eine der kleinen Nebengassen abtaucht oder zur Burg rauf läuft, ist man häufig ganz allein. Und glücklicherweise ist das "Hinterland" von Miltenberg sehr sehr ländlich. Ich muss also nur ein paar Kilometer fahren und bin im Nirgendwo. Und eine von mir sehr geliebte Burg ist die Wildenburg bei Amorbach. Die ist zwar bekannter als die Burg Rheinberg, aber so viele Wanderer sind dann dort auch wieder nicht zu sehen. Überhaupt gibt es bei uns genug Burgen, die noch sehr gut erhalten sind. Vielleicht kennst du ja diese Internetseite noch nicht? http://www.burgenwelt.org/deutschland/lo...deutschland.php Da kannst du bequem Burgen nach Bundesländern suchen oder auch weltweit. Oft gibt es in der näheren Umgebung welche, von denen man noch nie gehört hat.
"Es gibt für den Menschen keine Freiheit, solange seine Angst vor dem Tod nicht überwunden ist." Albert Einstein
Das ist gut, wenn man einsame Gegenden kennt und in der Nähe hat. Zum Glück gibt es diese Gegenden auch hier im Taunus, man muss sie halt nur kennen. Sobald man ein wenig abseits vom Feldberg ist, hat man meist seine Ruhe. Und wenn es dich mal in Richtung Taunus verschlagen sollte, vergiss den großen Feldberg. Langweilig und völlig überlaufen. Der wahre Schatz des hohen Taunus ist der Altkönig, die Weiße Mauer und das keltische Oppidum "Heidetränk" östlich der Weißen Mauer. Die Kelten wussten schon, warum sie sich ausgerechnet diese Plätze ausgesucht haben, denn die sind magisch und heilig. Die römischen Sandalenkrieger trieben sich mit ihrem Limes eher um den Feldberg herum, die hatten bestimmt Angst auf dem Altkönig. ;-)
Haha, die Burgenwelt-Seite kenne ich natürlich, auf der treibe ich mich in letzter Zeit ständig rum. Die Wildenburg habe ich mir mal im Netz angesehen, eine sehr schöne Burg. Die bekommt irgendwann auch mal einen Besuch abgestattet, das lohnt sich mit Sicherheit. Für Samstag ist bereits die nächste Wispertalwanderung geplant. Es geht dieses Mal ins obere Wispertal mit dem Ziel Wispersee. Da gibt es zwar keine Burg aber dafür viel Natur und Stille. Sollen sich die Leute dem Weihnachtskaufrausch-Wahnsinn hingeben, dann rennt dort erst recht keiner rum.
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Zitat von Lossoth im Beitrag #5Kann ich gut nachvollziehen. Ich wohne ja in einer Kleinstadt, die aber das ganze Jahr über viele Touristen anzieht. Da ist immer "was los". Aber wenn man sich auskennt und in eine der kleinen Nebengassen abtaucht oder zur Burg rauf läuft, ist man häufig ganz allein. Und glücklicherweise ist das "Hinterland" von Miltenberg sehr sehr ländlich. Ich muss also nur ein paar Kilometer fahren und bin im Nirgendwo. Und eine von mir sehr geliebte Burg ist die Wildenburg bei Amorbach. Die ist zwar bekannter als die Burg Rheinberg, aber so viele Wanderer sind dann dort auch wieder nicht zu sehen. Überhaupt gibt es bei uns genug Burgen, die noch sehr gut erhalten sind. Vielleicht kennst du ja diese Internetseite noch nicht? http://www.burgenwelt.org/deutschland/lo...deutschland.php Da kannst du bequem Burgen nach Bundesländern suchen oder auch weltweit. Oft gibt es in der näheren Umgebung welche, von denen man noch nie gehört hat.
Zur Wanderung im Wispertal noch mal den Senf von mir: Es war die klassische Tour, die ohne große Erwartungen angegangen wird und wo einem dann an mehreren Stellen der Mund offen steht vor Staunen. Freilich nur für Menschen, die ein Gespür für Vanitas, für etwas Ungenanntes haben, das man tief in der Seele spürt - sei es die Traurigkeit über gefühlte Leben, die an dem Ort wirkten, nur durch die Zeit von uns getrennt, sei es durch die Schönheit, die daraus sich ergebend den Ort adelt, sei es durch mannigfaltige Assoziationen, die intensivste Gefühle wecken und das abenteurergleiche Gefühl, zu ent-decken, etwas aufzudecken, ohne zu wissen was einen erwartet. Nur derjenige, der das philosophische thaumazein beherrscht und nicht durch das Erwachsensein verlernt hat, wie ein Kind über die kleinen und großen Wunder der Welt zu staunen, wird freilich diesen Schatz heben können ...
Die Wispertaltour hatte alles davon. Die Burg Rheinberg allen voran - für mich als Mediävist ohnehin ein Heiligtum vor dem Herrn. Vanitas in Hochkonzentration, das man so in Deutschland und in dieser Größe kaum noch findet: Eine Burg im Verfall ohne dass sie dabei von menschlichen Torheiten und ekelhafter Tourismusanbiederung für zombieske Seelen gestört wird. Der Druidenhainähnliche Abschnitt hatte es auch in sich von den erlebten Emotionen. Und diese wundervolle Einsamkeit im Wispertal - völlige Befreiung von der lärmenden "Seuche Mensch", dass man sich manches Mal fühlte wie der erste ... oder der letzte Mensch auf Erden. Keine oberflächlichen Laute störten die Atmosphäre und je tiefer man in das Wispertal wanderte, um so tiefer schritt man auch in Gefühle und die Tiefen des eigenen Geistes hinein.
Diese als "Premiumwanderung" einzuordnende Tour wird mir sicher noch viel Kraft geben, nicht nur Tage und Wochen danach (und es vergeht kein Tag, dass mir immer mal wieder die Burg Rheinberg vor Augen steht), sondern auch in schlimmen Monaten hier im ofenhessischen Loch im Treibhausgashalbjahr.
--------- "In der Einsamkeit frisst der Einsame sich selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die vielen. Nun wähle." (Friedrich Nietzsche)
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Auf mittelalterlichen Burgen und Pfaden im Wispertal
16.12.2018 23:12 (zuletzt bearbeitet: 18.12.2018 23:18)
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) seiner hervorragenden Christstollen.
