Zitat von Gery im Beitrag #39 Es findet sicher sehr langsam ein Umdenken statt, aber mit diesem Tempo erreichen wir die Klimaziele nicht. 👎
Ja, es sieht düster aus. Zappenduster sogar. Da wird nächste Woche in Glasgow an der Klimakonferenz gewaltig was gehen müssen bzgl zugesagten und umsetzbaren Massnahmen.
Die 1.5 Grad werden in den nächsten 10-15 Jahren erreicht - unabhängig davon welches CO2-Szenario in den nächsten 10 Jahren eintreten wird. Für den weiteren Verlauf wird dann entscheidend sein was sich bei den CO2-Emissionen tut:
- Rauft sich die Menschheit als Ganzes zusammen und bringt Unmögliches zustande so dass die Emissionen schnell reduziert werden so dass in einem der besten Fälle die globale Erwärmung noch vor dem letzten Drittel dieses Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreicht (SSP1-1.9/2.6)? Allerdings basiert dieses «milde» Szenario darauf dass grossen Mengen an CO2 aus der Atmosphäre durch technische Hilfsmittel entfernt werden.
- Oder werden die Emissionen zwar reduziert aber immer noch weniger als notwendig so dass die globale Erwärmung noch mindestens 100 Jahre andauert (SSP2-4.5)?
- Oder tritt doch der absolute Albtraum in Form der Worst-Case Szenarien (SSP3-7.0 und vor allem SSP4-8.5) mit ungebremsten CO2-Anstieg ein der unsere jetzige Generation noch zu unseren Lebzeiten die Warmzeit miterleben lässt, aber die kommenden Generationen im nächsten Jahrhundert in die neue Heisszeit katapultiert?
Übrigens ist SSP2-4.5 das Szenario von welchem der Standard.at-Artikel mit der +2.7 Grad Erwärmung bis 2100 spricht. Die obigen IPCC-Szenarien der globalen Erwärmung der nächsten 80 Jahre sind in der unteren Graphik noch als Vergleich zum aktuellsten rekonstruierten Temperaturverlauf der letzten ca 65 Millionen Jahre dargestellt:
Ich finde diese Darstellung der rekonstruierten und den prognostizierten Globaltemperaturen (GT) sehr übersichtlich und eindrücklich. Einerseits sieht man den extrem schnellen und starken Anstieg der GT infolge Treibhauseffekt welcher in dieser rasanten Ausprägung seit Millionen von Jahren nie stattgefunden hatte. Und andererseits stossen wir bei den Worst-Case Szenarien um die Jahrhundertwende in das geologische Heisszeitalter des Eozäns vor, als noch Dinosaurier lebten. Aber eigentlich ist schon alles oberhalb von +2 C Grad katastrophal. Da kann jeder mal selber schauen unter welchem Szenario und ab wann wir uns zurück in die vergangenen Zeitalter der Erdgeschichte zurück katapultieren.
Aber klimatologisches Neuland haben wir sowieso schon betreten denn noch nie lag die aktuelle GT (oben) und CO2-Konzentration (unten) so hoch wie jetzt seit es den Menschen oder den "Vor-Mensch" gab (ca 2 Millionen Jahre her) – und der Trend zeigt steil nach oben:
Eigentlich steht aber die gesamte gnadenlose und ungeschönte Wahrheit als Zusammenfassung im Summary for Policymakers (SPM) des aktuellen IPCC-Berichts: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downl...AR6_WGI_SPM.pdf Als Leitfaden für die «Entscheidungsträger» die entsprechende Klimaschutz-Massnahmen beschliessen und umsetzen sollten – oder eben auch nicht weil’s der Wirtschaft schaden könnte. Den neuesten IPCC Bericht könnte man kurz und bündig so zusammenfassen: Je wärmer desto extremer wird das Wetter werden.
Global bedeutet das eine Zunahme der Wetterextreme denn mit jedem Zehntelgrad Erwärmung nimmt die Häufigkeit von Hitzewellen, Dürreperioden und Starkniederschlägen zu weil sich die bis anhin stabilen atmosphärischen Strömungsmuster und natürlichen Stoff- und Energiekreisläufe immer stärker ändern, Seite 23 unter https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downl...AR6_WGI_SPM.pdf
Beispielsweise werden Hitzewellen welche früher alle 50 Jahre (also einmal im Leben) auftraten bei +1.0 Grad (also jetzt) tendentiell alle 10 Jahren auftreten. Bei +1.5 Grad dann alle 6 Jahre, bei +2 Grad alle 4 Jahre usw. Bei +4 Grad dann jedes Jahr und die heimatliche Vegetation die wir bislang so kannten wird nicht mehr existieren. Die Wiederkehrperiode solcher Extremereignisse ist natürlich nicht exakt, aber es geht eben um den Trend: Je wärmer desto häufiger.
Beim Überschreiten einer gewissen Erwärmung kommen dann auch die globalen Kipppunkte ins Spiel: RE: Klimaecke - 2021 die noch höchst unsicher sind. Es gibt natürlich auch Unsicherheiten bei den Klimamodellen, insofern gewisse Rückkopplungseffekte nur unzureichend oder noch gar nicht berücksichtigt sind was eher zu einer Unterschätzung der prognostizierten Erwärmungsrate führt. Gemäss Michael Mann können die Klimamodelle derart gigantische Blockaden, die zur brachialen Hitzewelle diesen Sommer an der Westküste der USA/Kanada führte, noch nicht mal gut erfassen; sprich solche Wetterlagen werden sogar noch unterschätzt. Wahrscheinlich sind die Prognosen eher noch zu konservativ und es wird auch zukünftig noch Überraschungen geben. Und eine neue Studie (auch wenn diese auf Extremwertstatistik beruht) zeigt dass die zukünftigen Hitzewellen von der Erwärmungsrate abhängen, also mit dem zukünftig starken Temperaturanstieg werden auch die Hitzewellen nochmals eine Schippe zulegen und es ist nicht ausgeschlossen dass aktuelle Temperatur-Rekorde «pulverisiert» werden können (https://www.carbonbrief.org/climate-chan...limate-extremes) ; analog zur diesjährigen Hitzewelle an der Westküste der USA/Kanada. Denn die Modellgeschichte zeigte dass die Entwicklung der Klimaerwärmung immer schneller verlief als ursprünglich prognostiziert. Eine bessere Glaskugel als die Klimamodelle haben wir nicht zur Hand aber die Modelle zeigten uns schon in den 80ern den richtigen Trend an und werden laufend verfeinert und verbessert.
Noch zehren wir bei uns von den Reserven wie relativ hohe Grundwasserpegel, Gletschereis, Seen, usw die uns das bis anhin stabile Klima hinterlassen hat, aber diese Reserven werden schwinden. Die Änderungen sind bereits für jeden spürbar und auch offensichtlich wenn man die Meldungen über das tägliche Wetter mitverfolgt: Arktische Amplifikation mit einem stark mäandrierendem Jetstream und häufige Meridionalisierung der Zirkulation, immer seltenere Westdrift dafür Zunahme von Blockaden welche die Wettersysteme wochenlang ortsfest verharren lassen und zu Hitze und Dürre oder Überschwemmungen führen, eine polwärts sich ausdehnende Hadley-Zelle welche in dessen Absinkbereich das Subtropik-Hoch näher an Europa schiebt, Abschwächung der AMOC, Erwärmung der Ozeane, usw. Selbst die kühlen La Nina Jahre heute sind schon wärmer als die sowieso warmen El Nino Jahre vor 30 Jahren.
Global haben wir ca +1.3 Grad erreicht aber Mitteleuropa ist überdurchschnittlich von der Erwärmung betroffen: In Deutschland, der Schweiz und Österreich beträgt die Erwärmung bereits +2.3 Grad und der Trend der nächsten 20 Jahre alleine ist schon besorgniserregend genug denn für 2060 sind +4 Grad in Mitteleuropa nicht mehr unrealistisch:
Was das bei uns in Mitteleuropa bedeutet wissen wir ja weil die Extreme zunehmen werden: Zunahme der trockenen und heissen Sommerperioden, Zunahme der Anzahl Tropennächte und heissen Tage, Zunahme der Extremniederschläge, wärmere Winter und mehr Winterniederschlag, Anstieg der Schneefallgrenze, usw: https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/k...imaextreme.html
Aber die ganze Scheisse kommt ja nicht überraschend von gestern auf heute: Jahrzehntelang warnten die Forscher vor den Konsequenzen der unkontrollierten Verbrennung fossiler Brennstoffe. Die Ölkonzerne wussten durch interne Studien genau Bescheid über die Folgen und deren bezahlte Lobbyisten mit Beziehungen in Regierungskreise führten jahrzehntelang einen Propaganda-Feldzug gegen die Klimaforscher mit öffentlichen Diskreditierungen und Fake News, hielten Subventionen in die Fossilen aufrecht und verhinderten vor allem einen frühzeitigen Ausbau in die erneuerbaren Energieträger: https://de.wikipedia.org/wiki/Klimawandelleugnung Aber nichts tun kommt am Schluss teurer zu stehen als zu handeln.
Schon der Stern-Report irgendwann um das Jahr 2000 brachte es auf den Punkt: Je länger mit Massnahmen gewartet wird desto teurer wird es. Denn je früher die Emissionen reduziert worden wären um die globale Erwärmung auf bspw 1.5 Grad zu begrenzen, desto weniger drastisch müssten die Emissionen jetzt jährlich reduziert werden.
Hätte man schon im Jahre 2000 mit den Reduktionen begonnen so wäre die Reduktion gemässigter und wirtschaftsverträglicher gewesen (dicke gelbe Linie) als wenn man damit zuwartet und dann 20 Jahre später dafür innerhalb von wenigen Jahren brutal reduzieren muss (dicke graue Linie) mit resultierendem hektischem Handeln und Jammern:
Es ist so als rase man mit Vollgas auf einen Stau in Sichtweite zu und – anstatt schon 500 m vor dem Stau normal auf die Bremse zu treten – erst 10m vor dem Stau voll in die Eisen zu steigen und darauf hoffen dass es schon noch irgendwie reicht. Aber die Physik verzeiht nichts und lässt sich nicht schmieren.
Es wird also nur noch darauf ankommen wie gross der Unfallschaden wird – ob beim vorderen Auto nur das Heck demoliert und den Insassen ein Schleudertrauma verpasst wird oder ob es ein kompletter Totalschaden mit Toten wird. Es kommt nur noch darauf an wie stark die Erwärmung begrenzt werden kann denn jedes Zehntelgrad Nicht-Erwärmung wird extrem wichtig sein - zumindest das haben wir theoretisch noch in der Hand - vor allem auch mit Blick auf die künftigen Generationen denn diese müssen mit dem Warmhaus-Klima zurecht kommen während unsere Generation erst die zarten Auswüchse der Klimaausuferung erlebt.
Fragt sich nur ob das die Menschheit als Ganzes noch packt.|addpics|w6x-5f-7ca5.png-invaddpicsinvv,w6x-5g-4ad4.jpg-invaddpicsinvv,w6x-5h-d31f.jpg-invaddpicsinvv,w6x-5j-a940.png-invaddpicsinvv,w6x-5k-9af3.png-invaddpicsinvv,w6x-5l-752d.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|
Hallo Cube, danke für den sehr gut aufbereiteten Bericht. Das sind keine guten Aussichten, unter diesen Bedingungen kann ich den Garten, so wie er jetzt gestaltet ist, vergessen ... 👎
Zitat von Gery im Beitrag #42Hallo Cube, danke für den sehr gut aufbereiteten Bericht. Das sind keine guten Aussichten, unter diesen Bedingungen kann ich den Garten, so wie er jetzt gestaltet ist, vergessen ... 👎
Gern geschehen, Gery :-)
Ja, die Aussichten sind nicht gut. Selbst in einem "kühleren" La Nina Abschnitt ist der September 2021 global tiefrot gefärbt und auch der Oktober wird die gleichen dunkelroten Farben aufweisen:
Tritt der nächste El Nino auf so werden die globalen Temperaturen sofort nochmals ein Stück weiter nach oben gedrückt, ganz zu schweigen von einem Super El Nino wie er 1982/1998 und vor allem 2015 auftrat und dessen Ankunft wir so lange wie möglich nach hinten aufschieben wollen.
In einem Klima der globalen Erwärmung könnte wahrscheinlich nur noch ein genügend schwacher Golfstrom eine Abkühlung für Westeuropa bringen. Aber ob das noch zu unseren Lebzeiten passieren wird? Oder die seit mehr als 10 Jahren längst überfällige Zirkulationsumkehr des Beaufort-Wirbels findet irgendwann statt und lässt die aufliegende Kaltwasserlinse in den Nordatlantik ausbrechen und könnte den Golfstrom somit für einige Jahre schwächen aber mit dem Risiko dass das darunterliegende Warmwasser in der Beaufort-Sea die Arktistemperaturen derart in die Höhe treibt dass die Arktis ein gutes Stück näher an den Blue Ocean Event bringt. Also wahrscheinlich auch nur ein kurzfristiger Gewinn den wir später mit einer noch stärkeren Arktischen Amplifikation teurer bezahlen. Aber auch das ist natürlich alles hypothetisch und höchst unsicher.
So oder so, es wird gewaltige Änderungen/Anpassungen in der Zukunft geben. Für deinen Garten würde ich auf alle Fälle mal diese Tongefässe bereit halten von denen Alpenbezwinger gesprochen hat ;-)
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30.10.2021 15:07
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